Das Pferd als Interaktionspartner
Aufgrund seines artspezifischen differenziertem Sozialverhalten als Herdentier bringt das Pferd eine hohe Sensibilität für mimisch-körperliche Ausdruckssignale mit, die vielfältige Einladungen zum Kontakt bieten (vgl. Stoffl 2003: 50). So beschreibt Stoffl das Pferd wegen seines „Aufforderungscharakters“ als „Tür-Öffner“ (Stoffl 2003: 66). Klüwer beschreibt das Pferd aufgrund seiner morphologischen Eigenschaften (Begegnung auf Augenhöhe, seichte Annäherung eines Fluchttieres) als 'selbstgefühlhebendes Identifikationsobjekt' (Klüwer 1994: 33).
Das Pferd als Spiegel
Der Mensch agiert in der Interaktion mit anderen taktisch durchdacht, um den Rollenerwartungen seiner Mitmenschen zu entsprechen und Teil der Gemeinschaft zu sein. „Wir alle spielen Theater“, die Pferde aber nie (Goffman 2003). Das Pferd, das ausschließlich analog kommuniziert, versteht nicht die Worte, die der Mensch an es richtet, jedoch umso besser die innere Haltung, mit welcher der Mensch ihm begegnet. Auf diese Weise werden Widersprüche zwischen Sein und Verhalten konsequent aufgedeckt, sodass eine Arbeit an unbewussten Haltungen, Ängsten, Bedürfnissen möglich wird. Gleichsam steht das Pferd durch sein kongruentes Auftreten für eine authentische und vertrauensvolle Beziehung. Der stetige Fokus auf das Hier und Jetzt zwingt einerseits zur Achtsamkeit und erlaubt andererseits ein Sein ohne Urteil und Anforderungsdruck.
Das Pferd als Beziehungswesen
Das Pferd kommuniziert vor allem über Ausdrucksbewegungen. Ziel dieser analogen Kommunikationsform ist stets die Klärung, Bestätigung, Verteidigung ihrer Beziehung zu Artgenossen. „Das bedeutet, dass bei der analogen Kommunikation nicht der Inhalt der vermittelten Worte, sondern die Beziehung im Hier und Jetzt ausschlaggebend ist“ (Scheidhacker 1994: 43). Das Pferd agiert stets situationsgebunden. Dieser Gegenwartsbezug ist für die tiergestützte Intervention von großem Wert. So gewährt die Beziehung zwischen Mensch und Pferd das Erleben von Authentizität und Integrität.
Biophilie
Der von Wilson geprägte Begriff der ‚Biophilie‘ beschreibt die Affinität von Menschen aller Altersstufen zu Natur, Leben und lebensähnlichen Prozessen (vgl. Wilson 1984). Dieses Verhältnis kann aus vielen verschiedenen Perspektiven (utilitaristische, naturalistische, ästhetische, symbolische, humanistisch, moralisch, negativistisch, dominierend, ökologisch-wissenschaftlich) betrachtet werden und von „Ekel, Dominanz, Nutzung bis hin zur Wertschätzung ästhetischer Aspekte reichen“ (vgl. Olbrich/ Otterstedt 2003: 70, Vernooij/ Schneider 2008:6, Beetz 2017: 6). Studien, in denen dokumentiert wird, dass bereits Babies Tieren unverkennbar mehr Aufmerksamkeit widmen als Objekten, stützen die Biophilie-These Wilsons (vgl. DeLoache/ Pickard/ LoBue 2010). Biophilie kann als eine evolutionäre Entwicklung beschrieben werden. Die Fähigkeit tierisches Verhalten einzuschätzen war für den Menschen überlebenswichtig (Nahrungsquelle und Anzeichen von Gefahren wie Erdbeben, Raubtieren in der Nähe). Diese erworbene Fähigkeit ist trotz Veränderung der Lebensumstände auf einer vorbewussten Ebene erhalten geblieben.
Leibliche Erfahrung
Der Mensch zeichnet sich insbesondere durch die Entwicklung und Verwendung von symbolischer Kommunikation aus. Diese Form der Informationsrepräsentation entwickelte sich erst relativ spät in der Menschheitsgeschichte (vgl. Epstein 1994 IN: Beetz 2017: 12). Vor der kulturellen Entwicklung verfügte der Mensch bereits über einen implizit-erfahrungsgeleiteten Modus der Informationsverarbeitung, welcher dem der Tiere ähnelt. So „basiert der implizite erfahrungsgeleitete Funktionsmodus auf direkten Erfahrungen, implizitem Gedächtnis und phylogenetisch alten Prozessen, die eng mit Emotionen und Motiven verknüpft sind und nicht immer bewusst repräsentiert sind (Epstein, 1994)“ (Ebd.). Die Anwendung tiergestützter Intervention ermöglicht die Wiederherstellung einer gesunden Balance zwischen den beiden Arten der Informationsverarbeitung und dabei vor allem über implizite Prozesse Klienten zu emotionalisieren und zu motivieren (vgl. Ebd.).
Bindung und Wohlgefühl
Beetz beschreibt die Bindungstheorie von Bowlby (1969) und Ainsworth (1963) als „eine breite Basis für die Erklärung von Mensch-Tier-Beziehungen“ (Beetz 2017: 10). So wird das je individuelle internale Arbeitsmodell von Bindung im Gegensatz zu zwischenmenschlicher Interaktion nicht auf Tiere übertragen (vgl. Hartmann 2010). Stattdessen begegnen auch unsicher gebundene Menschen dem Tier mit einer Offenheit, die Vertrauen und aufrichtige Beziehung zulässt.
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